„Die Not und der Bedarf sind heute mindestens so groß wie damals. Jetzt suchen wir aber Familien, die bereit sind, einem bedürftigen Säugling oder Kleinkind ein Zuhause auf Zeit zu ermöglichen“, betont Sarah Haurand, die den Bereich Pflegekinder im Kastanienhof leitet. Ausgehend von dem Gedanken, eigene gute Erfahrungen an Menschen mit weniger guten Voraussetzungen weiterzugeben, engagiert sich der Frauenverein Krefeld als Träger des Kastanienhofs in diesem nicht leicht zu bestellenden Feld, das aber wunderbare Früchte trägt, sobald ein Kind in eine Bereitschaftspflegefamilie vermittelt werden kann. Sie betreut das Kind einige Monate,
bis der Kastanienhof und die kooperierenden Partner nach intensiven Gesprächen und Therapien (meist mit der Mutter des Kindes) eine Rückkehr in die Ursprungsfamilie für sinnvoll erachten. Rund die Hälfte aller Pflegekinder auf Zeit können dann für immer in ihrer Ursprungsfamilie weiterleben.
„Vor fast 200 Jahren war die Ausrichtung eher praktisch ausgelegt“, weiß Karin Zecha, Vorstandsmitglied im Krefelder Frauenverein. Armen Wöchnerinnen wurden Wäsche, Milch und Nahrung zur Verfügung gestellt. Während der Wochenbettzeit sorgte eine sogenannte Hauspflegefrau für die geregelte Fortführung des Haushaltes. Außerdem wurden jungen bedürftigen Frauen Näh- und Strickkurse angeboten, die sehr gut angenommen wurden. 1868 kaufte der Verein das Haus an der Elisabethstraße 90. Allein in diesem Jahr wurden von dort aus 375 Wöchnerinnen betreut. Weiterer Meilenstein in der Entwicklung des Krefelder Frauenvereins war 1908 die Gründung des Vereins für Säuglingsfürsorge und die Einrichtung der ersten Mütterberatungsstelle der Stadt. Sie wurde unter anderem durch den Kinderarzt Dr. Isidor Hirschfelder betreut. Er war seit 1914 auch Leitender Arzt im neuen Säuglingsheim an der Petersstraße 71.
„WENN SICH ZEHN PFLEGEFAMILIEN AUF ZEIT FINDEN WÜRDEN, WÄREN WIR EINEN GROSSEN SCHRITT WEITER.“
Viele haben beim Blick in die Vergangenheit Bilder von kahlen Schlafsälen vor Augen, in denen zahllose Gitterbettchen aus Stahl nebeneinanderstehen.
„Auch der Kastanienhof hatte noch bis vor einigen Jahren eine Säuglings- und Kleinkindergruppe“, weiß Sarah Haurand. Mittlerweile verlangt der Landschaftsverband Rheinland als Fachaufsicht, dass keine Kinder unter drei Jahren mehr stationär aufgenommen werden dürfen. Hintergrund sind Forschungserkenntnisse, die belegen, dass gutes Wachsen und Gedeihen auch emotionaler Fürsorge bedarf. Sozialpädagogin Sarah Haurand bestätigt den Wandel: „Früher wurden Säuglinge von Mitarbeiterinnen in Wechselschicht betreut. Heute wissen wir, dass eine konstante Bindung im Säuglingsalter wichtig für die spätere Entwicklung ist. Nur wer Liebe und Fürsorge unmittelbar erlebt, ist auch später in der Lage, das weiterzugeben. Zwischen fünf Monaten und drei Jahren entwickelt sich eine solche konstante Bindung. Mit dem Konzept der familiären Bereitschaftspflege, das wir 2008 bei uns eingeführt haben, wollen wir dafür sorgen, dass jedes Kind unter drei Jahren in einer Familie
aufwächst und diese wichtige Bindungserfahrung macht. Deshalb suchen wir Paare oder Familien, die Säuglingen und Kleinkindern für eine Zeit diese Geborgenheit geben.“
Angesprochen sollen sich alle fühlen, die bereits Erfahrungen mit eigenen Kindern und genügend Zeit für das Pflegekind haben. Gerne auch Paare bis 65 Jahre, schließlich ist die Aufenthaltsdauer der Kinder auf einige Monate begrenzt. „Eine erfahrene Oma kann daher eine solche Aufgabe genauso gut bewältigen wie eine junge Familie“, sagt Karin Zecha. Gesucht werden konkret zehn Pflegefamilien.
„Es wäre zu wünschen, dass sich noch einmal so engagierte Frauen wie vor 190 Jahren finden würden, um Kindern und Eltern in Not zu helfen“, ist das Anliegen vom Krefelder Frauenverein und dem Team vom Kastanienhof. //pet
www.pflegekinder-kastanienhof.de
Ansprechpartnerin: Sarah Haurand, Telefon: 02151-50731-40