Zehntausende deutsche Kinder leben in Pflegefamilien. Tendenz steigend. Die Trennung von der leiblichen Familie und die damit verbundenen Erlebnisse sind für diese Kinder schwierige Erfahrungen, die soziale Unsicherheit mit sich bringen können. Die Familien der Kinder kommen oft selbst aus schwierigen Verhältnissen oder sind mit der neuen Situation als Eltern überfordert. Unter Umständen leiden sie unter Suchtproblemen oder psychischen Erkrankungen. Kinder aus solchen Familien werden häufig Opfer von Gewalt oder Verwahrlosung; Zustände, die ein schnelles Einschreiten von sozialen Einrichtungen erfordern. Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen wie der Krefelder Kastanienhof sind daher auf viele bereitwillige Pflegefamilien an ihrer Seite angewiesen, die es den Kindern ermöglichen, glücklich und geborgen heranzuwachsen.
Sarah Haurand leitet den Bereich Pflegekinder im Kinderheim Kastanienhof, der das Leistungsangebot des Heims um ein Beratungs- und Begleitangebot von Familien mit Pflegekind ergänzt. Mit ihrem sechsköpfigen Team kümmert sich die Sozialarbeiterin um die Perspektivklärung der Kinder und ihrer Eltern. Außerdem betreut und vermittelt das Team Pflegefamilien, die vom Personal des Kastanienhofs selbst für den Einsatz geschult werden. Die potenziellen Pflegefamilien durchlaufen ein Bewerberverfahren zur Eignungsprüfung. Zusätzlich sollen die Familien optimal auf alle Eventualitäten vorbereitet werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass ein Pflegekind wirklich in gute Hände kommt.
Kristina Küppers, Sarah Haurand, Bettina von Bihl und Elke Weegen-Schmidt – Fotos: Simon Erath
Mal reicht es bereits, Kind und leibliche Eltern über einen begrenzten Zeitraum zu trennen, damit die Eltern an ihrer Situation arbeiten können, doch häufig wird auch dauerhaft ein neues Umfeld benötigt. „Es gibt zwei Formen von Pflegefamilien“, erklärt Sarah Haurand. „In der sogenannten Bereitschaftspflege stehen die Familien tagtäglich zur Verfügung, um in akut auftretenden Fällen jederzeit ein Kind für einen begrenzten Zeitraum aufnehmen zu können. Hier wird unter der Prämisse gearbeitet, dass das betroffene Kind wieder in seine Herkunftsfamilie eingegliedert werden kann. Diese Kinder sind im Regelfall zwischen null und drei Jahre alt. Ab dem vierten Lebensjahr werden die Kinder im Kastanienhof aufgenommen, wo sie über einen längeren Zeitraum leben. Je nach Perspektive sind diese Kinder auf eine Vollzeitpflegefamilie angewiesen.“ Manchmal erfolgt aus einer solchen Vollzeitpflege sogar eine Adoption.
Ob ein Kind von seinen Eltern getrennt werden muss, entscheidet das Jugendamt. In einem akuten Fall müssen Haurand und ihre Kolleginnen schnell handeln. Sobald sich das Jugendamt an den Kastanienhof wendet, ist es die Aufgabe des Teams, umgehend eine passende Pflegefamilie zu kontaktieren. Die ausgesuchte Pflegefamilie wird über die Notlage aufgeklärt und kommt anschließend schnellstmöglich zum Kastanienhof, um sich dort mit der Herkunftsfamilie, dem Kind, einem Mitarbeiter des Jugendamts und einem Teammitglied zu treffen. Anschließend nimmt die Pflegefamilie das Kind direkt auf. In den darauffolgenden Wochen finden im Kastanienhof regelmäßige Besuchskontakte statt. Im Verlauf dieser Zeit wird das weitere Vorgehen geklärt. „Diese Treffen sind für alle Beteiligten natürlich sehr aufregend. Hier ist es unsere Aufgabe, gut zu vermitteln und den Kontakt entsprechend zu leiten“, erklärt Haurand. Besonders wichtig ist der Sozialarbeiterin hierbei, dass die leiblichen Eltern der Kinder wertschätzend behandelt werden, unabhängig von ihrem Hintergrund. Viele von ihnen sind es gewohnt, mit Vorurteilen konfrontiert zu sein und dadurch verunsichert. Gerade deshalb ist ein respektvoller Umgang auf beiden
“DIESE TREFFEN SIND FÜR ALLE BETEILIGTEN NATÜRLICH SEHR AUFREGEND. HIER IST ES UNSERE AUFGABE, GUT ZU VERMITTELN UND DEN KONTAKT ENTSPRECHEND ZU LEITEN.”
Seiten besonders wichtig. „Auch wenn sie selbst nicht immer ihren Pflichten als Eltern nachkommen können, sollen sie am Leben ihrer Kinder teilhaben“, beschreibt die 28-Jährige das angestrebte Ziel. Nach dem Klärungszeitraum wird entschieden, ob das Kind zu seiner leiblichen Familie zurückgeführt wird oder in eine Vollzeitpflege kommt. Den Herkunftsfamilien fällt die Trennung von ihrem Kind sehr schwer. „Besonders schön ist es für uns immer, wenn die leiblichen Eltern die Pflegefamilie und ihre Arbeit anerkennen und schätzen können; trotz der für sie schwierigen Situation“, erzählt Haurand. „Das sind Momente, die einem zu Herzen gehen, denn unsere Pflegefamilien leisten wirklich eine tolle und sehr wichtige Arbeit.“ Haurand und ihre Kolleginnen freuen sich immer über Zuwachs von Pflegefamilien. Denn die Arbeit, die sie leisten, ist dringend notwendig. In der Bereitschaftspflege arbeiten derzeit 35 Familien mit dem Kastanienhof zusammen, für die Vollzeitpflege stehen circa 60 Familien zur Verfügung. Doch leider ist das nicht genug. Um allen Notlagen in Krefeld gerecht werden zu können, bräuchte der Kastanienhof weitere Bereitwillige zur Betreuung, denn in unserer Stadt spiegelt sich die deutsche Statistik wider: Viele Kinder brauchen Pflegefamilien. Tendenz steigend. //ej
Kinderheim Kastanienhof, Kaiserstraße 103 a, 47800 Krefeld,
Tel.: 02151 507310, Mail: info@pflegekinder-kastanienhof.de