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Niederrhein. Wenn Kinder zwischen 0 und drei Jahren nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern bleiben können, braucht es Menschen, die sich der hilflosen Kleinen annehmen. „Pflegeeltern auf Zeit“ spielen hier eine wichtige Rolle. Eine Pflegemutter erzählt.
Von Claudia Basener
Was der kleine Tim (Name von der Redaktion geändert) bereits durchgemacht hat, kann man nur erahnen: Als das Jugendamt den zehn Monate alten Jungen seiner leiblichen Mutter wegnehmen muss, starrt er nur regungslos vor sich hin, die kleinen Händchen sind ganz verkrampft. Bereitschaftspflegemutter Gabi V. (Name geändert) ist seine Rettung. Sie hat ihm ein neues Zuhause gegeben – auf Zeit.
Aufgrund eines Zeitungsartikels über Bereitschaftspflegefamilien hatte sich Gabi V. vor einiger Zeit beim Fachdienst Familiäre Bereitschaftsbetreuung (FBB) des Kinderheims Kastanienhof in Krefeld gemeldet.
„Pflegeeltern auf Zeit“ nehmen Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren für die Zeit bei sich auf, in der geklärt wird, ob sie zurück zu ihren leiblichen Eltern dürfen oder in die Dauerpflege übergeben werden. „Ich hatte einfach gespürt, dass ich helfen will“, sagt die gelernte Friseurin, die nach 20 Jahren in ihrem Beruf nach etwas Neuem suchte. Ihr Mann und ihre zwei Kinder waren von der Idee sofort angetan und unterstützen sie bei der Bewerbung.
„Das ist der wichtigste Punkt“, betont Bettina von Bihl vom FBB beim ersten Beratungsgespräch, „die eigene Familie steht immer an erster Stelle. Man muss wissen, dass man als Familie komplett ist und man einem anderen Kind nur für einen gewissen Zeitraum ein gutes Zuhause geben möchte.“ Der FBB steht dabei jederzeit zur Seite: „Wenn es Probleme gibt, finden wir Lösungen“, versichert Heimleiter Jens Lüdert: „Es gibt rund um die Uhr einen Ansprechpartner. Wir bieten Fortbildungsmaßnahmen aber auch Gesprächsgruppen an.“ Und auch die finanziellen Aspekte werden direkt geklärt: Die Erstausrüstung bekommt die Pflegefamilie gestellt, es gibt eine Aufwandsentschädigung.
Bei drei Hausbesuchen überzeugt sich das Team des Kastanienhofs bei Familie V., dass ein Pflegekind hier gut aufgehoben wäre und bereitet die Familie genaustens auf das vor, was sie erwarten wird.
Anschließend erteilt das Jugendamt nach nochmaliger Überprüfung die Pflegeerlaubnis. Mit dieser werden aus Eltern Pflegeeltern und das Warten auf ein Kind, das zur eigenen Familie passt, beginnt.
Als Gabi V. den ersten Vermittlungsanruf vom Fachdienst Familiäre Bereitschaftsbetreuung (FBB) des Kinderheims Kastanienhof in Krefeld erhielt, war sie aufgeregt, aber auch überglücklich.
Zwei Pflegekinder konnte sie seitdem bereits durch die schwere Zeit bis zur Rückführung zu den eigenen Eltern bzw Großeltern begleiten. Tim ist ihr dritter Schützling. Der kleine Junge blüht in ihrer Familie förmlich auf, die Verkrampftheit ist gewichen, der Blick offen und wach.
Genau dies ist es, was Gabi V. als „erfüllend“ beschreibt: „Man rettet ein Kind und prägt eine derart entscheidende Entwicklungsphase mit.“ Dass der Aufenthalt begrenzt ist, muss man sich immer wieder bewusst machen, um für den Abschied gerüstet zu sein. Eine emotionale Herausforderung, die die Pflegefamilien mit Hilfe des FBB gut bewältigen. Für den letzten Tag hat Gabi V. ein festes Ritual entwickelt, das ihr und ihrer Familie ermöglicht, abzuschließen. Ein ausschleichender Kontakt sorgt dann dafür, dass das Kind die Trennung verarbeiten kann.
Was die leiblichen Eltern betrifft, ist ein respektvoller aber distanzierter Umgang wichtig. Die Pflegeeltern sind ausschließlich für das Kind verantwortlich. Und die meisten leiblichen Eltern erkennen, dass es ihr Kind dort gut hat. Denn wenn Kinder (im Alter von 0 bis 3 Jahren) nicht vermittelt werden können, werden sie in sogenannte Notfallambulanzen untergebracht: eine Massenabfertigung im Schichtdienst, die sich gerade mal um die „Grundversorgung“ kümmern kann – mit fatalen Folgen in dieser wichtigen Entwicklungsphase.
Als Gabi V. im Hinblick auf die leiblichen Eltern mal die Frage gestellt bekommt, ob sie nicht ein schlechtes Gewissen habe, wenn sie „weggenommene“ Kinder aufnehme, antwortet sie daher auch: „Ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn ich es nicht tun würde.“
Sarah Haurand, Elke Weegen-Schmidt, Bettina von Bihl und Erika Gretschmann (v.l.) vom FBB suchen „Pflegeeltern auf Zeit“. Die Krefelder Einrichtung ist Ansprechpartner für zahlreiche Jugendämter vom Niederrhein, es können sich auch gerne Familien aus unserem Verbreitungsgebiet melden.FOTO: privat